Im Frühjahr wird es hoffentlich wieder so weit sein. Dann treiben die Rosen aus und mit ihnen die versammelte Pflanzengemeinde. Im letzten Frühjahr, Ende April, fiel mir auf, dass sowohl die Historische Rose "Königin von Dänemark" als auch "Tuscany Superb" nur oben an der Spitze austrieben. Der Rest der Stiele blieb nackt. Merkwürdig sah das aus und ganz und gar nicht zu akzeptieren wenn man, wie ich, Blütenreichtum erwartet.
Andere Rosen sahen zu dieser Zeit wahrlich fülliger aus.
Ich befragte die Mädels im Rosenforum - keine Antwort. Ich schlich um die Rose rum und überlegte: das konnte doch nicht der Sinn der Sache sein... Irgendwann fiel mir die Empfehlung für Kletterrosen ein, man solle sie waagerecht binden... für den Saftfluss... das regt die Rosen an auszutreiben (ein übliches Prinzip auch beim Obstbaumschnitt, um reiche Ernte zu erzeugen). Gesagt getan, ich bog die Triebe der Strauchrosen um und fixierte sie.
Tatsächlich, nach einer Woche tat sich was, die schlafenden Augen trieben aus, erst zaghaft, dann entschlossen. Und eine Woche später, während andere Rosen schon blühten, waren die frischen Blätter endlich nicht mehr aufzuhalten. Ich hatte die faulen Rosen also "zur Arbeit" gezwungen. Blüten gab es an diesen Trieben nicht mehr, dazu war es Ende Mai wohl zu spät, aber zumindest sah der Strauch nicht mehr so nackt aus.
Mit meinem erfolgreichen Selbstversuch im Bewusstsein las ich wenig später ein Buch: "Die Rose, ihre Anzucht und Pflege, Praktisches Handbuch für Rosenfreunde" von Robert Betten (ein Nachdruck des Originals von 1897)*.
Was ich bis dahin als meine intuitive Reaktion auf die faulen Rosen gesehen hatte, konnte ich nun schwarz auf weiss, sozusagen als manifestierte Erkenntnis unserer Rosenfreundvorfahren auf Seite 19/20 lesen: "... Das Herunterbinden soll den Saftstrom nach den oberen Augen hemmen und soll auch den tiefer stehenden Augen Gelegenheit geben sich zu entwickeln. Nur so erhalten wir die möglichst reiche Blüte... Das Niederbiegen der Ruthen bietet also nicht allein die Möglichkeit alle Augen zum Austrieb zu zwingen, sondern lässt auch einen Zwang auf das gleichmäßige Wachstum der Blütenzweige zu. Ferner hat es den Zweck Platz und Kraft für neue Ruten zu schaffen, die aus der unteren Rose sich bilden." Dieser Text wird im Zusammenhang mit den Schnittmaßnahmen bei langtriebigen Rosen empfohlen und das bedeutet für uns: hier sind historische Rosen und moderne Strauchrosen gemeint, die unmittelbar nach dem Schnitt so behandelt werden können.
Moderne Beetrosen und Teehybriden werden auf ca. drei bis fünf Augen zurück geschnitten. Hier erübrigt sich diese Handlungsweise.
Im nächsten Frühjahr werde ich meine Umbiegeversuche an einigen Rosen fortsetzen. Ich bin gespannt, welche Ergebnisse ich erziele.
Tuscany Superb
* Das genannte Buch bezieht sich überwiegend auf Remontantrosen und Teehybriden die zu dieser Zeit "en vogue" waren. Die heute wieder modernen "Alten Rosen" sind hier nur am Rande als Parkrose erwähnt.