Entgegen der allgemein verbreiteten Auffassung, die Tulpenfelder der Niederlande würden sich ausschließlich rund um den allseits bekannten Keukenhof befinden, gibt es noch ein weiteres Tulpenanbaugebiet im Flevoland, dem Nordoostpolder. Sicherlich ist dieses Gebiet nicht touristisch sondern eher landwirtschaftlich erschlossen, dennoch findet man auch hier pittoreske Städtchen, Grachten, Deiche, Schafe, Windräder und natürlich Tulpenfelder. Eher zufällig fand ich im Internet den Hinweis auf das Tulpenfestival 2010 Hintergrund meiner Recherche war die Suche nach offenen Gärten in den Niederlanden um ein Wochenende (17.-21.4.) "Gartengestaltungsnachhilfe" in dem für seine Gärten und Gärtner berühmten Land zu verbringen. Da neben der Tulpenroute durch die Anbaufelder auch vier, in dieser Zeit geöffnete Gärten auf dem Festivalprogramm standen und diese wiederum ganz verheißungsvoll aussahen, beschlossen drei Frauen (Schwester, Mutter und ich) eine Reise in unbekannte Gefilde. Da die Niederlande ja bekanntlich nicht sehr groß ist, kann man bequem anreisen und schon mal die ein oder andere Perle der Gartenkunst mitnehmen. So besuchten wir den Garten des Paleis Het Loo in Appeldorn, eine barocke Gartenanlage mit Lustschloss der mit unglaublichen Buchsbaumornamenten in Größenordnungen, allerlei Kulissenelementen- Springbrunnen, Skulpturen, eine Wasser sprudelnde Erdkugel... und diversen noch zaghaft wachsenden Pflänzchen aufwartete. Da ich ein Freund von Struktur und Ordnung bin, war ich natürlich erst einmal schwer beeindruckt von der Anlage. Allerdings haben die barocken Gartenanlagen mit ihren Achsen auch immer etwas "Mächtiges" an sich und man scheint als Mensch im übergroßen Raum keine Rolle zu spielen. Für mich Grund genug in den "Königinnengarten" unmittelbar links neben dem Schloss zu entschwinden, der wegen seiner Größe, Raumeinfassungen aus massiven Wänden und dem Laubengang wesentlich angenehmer und proportionierter wirkt. Was muss das nur im Sommer für eine Pracht sein, wenn die Stauden, Einjährigen und Rosen in den Heckenzwischenräumen blühen.
Fazit des ersten Gartenbesuchs auf unserer Tour: Sehr schöne Anlage für alle "strukturierten" und vielleicht auch weniger strukturierten Menschen, Hut ab vor der Heerschar an Gärtnern die mit der Heckenschere bewaffnet den Garten in Ordnung halten "dürfen" und Danke für das phantastische Wetter das uns von nun an drei Tage lang begleiten sollte. Ein wunderbarer Auftakt.
Wenig später unsere Ankunft im Zielgebiet. In der Kleinstadt Lemmer hatten wir Zimmer in einem kleinen Hotel gebucht, das sich als sehr nett und angemessen, hinsichtlich des Preis -Leistungs-Verhältnisses, heraus stellte. Die Anfahrt gestaltete sich "farblos" nirgendwo war ein Tulpenfeld zu sehen, bis sich heraus stellte, dass die Tulpen noch nicht so weit waren, ein Desaster. Gut das die Sonne kräftig schien, als wolle sie uns nicht enttäuschen. Am nächsten Tag, juhu, blühende Tulpen!
Der eigentliche Plan war allerdings erst einmal Gärten anschauen, ich konnte es kaum erwarten, die Webseiten der Gärten versprachen Einiges. Ich sollte nicht enttäuscht werden, jeder der vier Gärten war einzigartig, in jedem der Gärten konnte man sich von der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten und Pflanzenarten überzeugen. Besonders schön zu dieser Jahreszeit, die hier in üppiger Zahl verwendeten Lenzrosen, Tulpen, Narzissen, die den Frühling einläuten. Eine Quelle der Inspiration war für mich aber ohne Zweifel der "Pegasushof", eine Gartenanlage die mich natürlich insbesondere wegen der Ordnung der Gartenräume ansprach, wie Zimmer im Freien. Grundlage der Gestaltung sind Hecken in verschiedenen Höhen die, die einzelnen Gartenräume voneinander trennen. Die Raumgliederung basiert auf geometrischen Formen, die Wahl der Pflanzen scheint sparsam aber wirkungsvoll gewählt. Es gibt Farbthemen von Tulpe, Kaiserkrone und Co. Immer wieder Buchs als Hecke oder Kugel. Keine Zufälligkeiten, alles ist wohl überlegt und dennoch: Vielfalt, Raumerlebnis, Kreativität, ich war hin und weg, so ein schöner Garten! Wie der Inhaber mir erzählte war seine Frau, bevor der Garten entstand, oft in England um die Gärten dort zu studieren. Außerdem ist der Garten in seiner Gesamtheit, sozusagen auf dem Reißbrett geplant und dann umgesetzt worden. Erwähnenswert wäre noch der Rasen- grünstes Grün ohne Unkraut- und seine Rasenkanten, ich war sprachlos bei so viel Perfektion.
Bereits nach diesem Gartenerlebnis stand für mich fest, der Ausflug in die Niederlande hatte sich gelohnt. Unser nächstes Ziel war eher was für den naturnahen Gartenfreund, ein geschickt anleglegter Weg führte durch den ganzen Garten, man kam sich vor wie auf einer Wanderung durch eine Miniatur-Gartenlandschaft. (Pückler in klein...) Immer wieder andere Blickbeziehungen zum Teich mit Brücke, räumliche Vielfalt mit weiten und engen Gartenpartien. Da hier im Sommer offensichtlich überbordende Staudenvielfalt herrscht, machte das zaghafte Grün jetzt im Frühjahr eher einen wilden Eindruck. Für Hostafreunde ist sicherlich der nächste Garten eine Reise wert. Um 300 verschiedene Funkiensorten stehen hier. Die Sammelleidenschaft ist hier an Hand der gut sortierten und beschrifteten Beete und Pflanzen, gut sichtbar und für mich als Freund dieser wunderschönen strukturbildenden Pflanze unbedingt nachvollziehbar. Neben den Hostas beherbergt der Garten noch eine hauseigene Staudenzucht. Hier kann man den ein oder anderen Nachkommen der im Garten befindlichen Mutterpflanzen erwerben. Ich bin jetzt um zwei Hosta reicher. Schon am ersten Tag hatten wir den "De Tuinen van Lipkje Schat" besucht, ein ebenfalls sehr schöner Garten mit verschiedenen Gartenräumen, die jedoch in ihrem Charakter und der Bepflanzung sehr unterschiedlich sind. Ich vermute, dass dieser Garten sich ähnlich entwickelt hat wie meiner, Schritt für Schritt. Auch hier gibt es Hecken als "Raumteiler" exakten Rasen, Staudenrabatten, viele Rosen und ein wunderschönes Frühlingsbeet. In allen Gärten wurde Wasser als fester Bestandteil der Gestaltung einbezogen. Vielleicht kann man wirklich sagen, dass die verschieden Gestaltungen der Gärten auch die Charaktere ihrer Inhaber widerspiegeln. Wir haben jedenfalls viele nette, aufgeschlossene Gartenfreunde mit einer gemeinsamen, bemerkenswerten Leidenschaft getroffen.
Zurück zu den Tulpenbeeten, mittlerweile sind einige Felder aufgeblüht, Zeit für die Fotosession. Tulpen so weit das Auge reicht, in Rot, Rosa, Lila, Gelb...
Das Tulpenfestival findet noch bis zum 2. Mai 2010 statt, wer Zeit hat sollte unbedingt hinfahren. Die Gärten sind dann erst wieder am12./13.Juni 2010 zum Tag der offenen Gartentür geöffnet.
Wieder zu Hause und im eigenen Garten angekommen, galt es erstmal einen kritischen Blick auf das eigene Gartenglück zu werfen. Naja zumindest war ich nicht mehr, wie sonst üblich, schockiert über den Anblick meines eigenen Gartenparadieses. Trotzdem musste sofort der Rasenmäher ran, aber mein Rasen sieht nach wie vor eher "durchwachsen" aus. Mir fehlt definitiv der Geheimtipp für das Gelingen niederländischer Rasenperfektion.
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